Von Oristano aus fährt man in Richtung Torre Grande und danach in Richtung S.Giovanni di Sinis. Nach der .Giovanni-Kirche folgt man den Schildern zur archäologischen Ausgrabungsstätte, deren Eingang etwa 1 km entfernt ist. Der Eintrittspreis beträgt 4 Euro und umfasst zugleich auch den Eintritt für das Archäologische Museum vom Cabras.
Im zauberhaften Rahmen der Sinis-Halbinsel, einem Gebiet, das schon seit dem vierten vorchristlichen Jahrtausend von wichtigen anthropischen Phänomenen berührt war, liegt die Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. gegründete phönizische Stadt Tharros.
Das Gebiet besticht durch seine außergewöhnliche Schönheit aufgrund der unzähligen Strände, die als“Reisstrände” bezeichnet werden, weil sie aus kleinen, reiskorngroßen Kiessteinchen bestehen. Von besonderem Interesse ist die Landspitze, deren Position ein typisches Beispiel für einen phönizischen Anlegeplatz liefert, denn sie ermöglicht das Anlegen der Schiffe bei Winden jeglicher Richtung und Stärke, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite des Küstenvorsprungs.
Aus jener Zeit sind wenige auf den Bestattungsbereich bezogene Zeugnisse erhalten, mit Urnengräbern, die bereits im 19. Jahrhundert bekannt waren. Die ältesten Materialien stammen aus demTophet, einer typischen phönizischen Brandopferstätte unter freiem Himmel, die schon im 7. Jh. v. Chr. genutzt wurde und Urnen mit Ascheresten von Kindern und Opfertieren enthält.
In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts entging Tharros nicht der Eroberung durch die Karthager im Zuge der erfolgreichen Expansionspolitik der afrikanischen Stadt. Von diesem Moment an wohnte man einerMonumentalisierung der Stadt bei, mit der Errichtung zahlreicher Bauten, worunter der so genanntePseudoportikotempel und die beeindruckende Befestigungsanlage, welche die Stadt vor möglichen Angriffen vom Land aus schützte. Der Tophet, der nun in den befestigten Raum eingeschlossen war, wurde weiter genutzt. Gleich westlich anschließend entstand gegen Ende des 5. Jhs. v. Chr.ein wichtiges Handwerkerviertel, das aufEisenverarbeitung spezialisiert war.
Auf die punische Zeit gehen die Kammergräber im Felsenriff des Capo S. Marco und weiter nördlich in der Nähe der neuzeitlichen Siedlung S. Giovanni di Sinis zurück. Sie bestehen aus einem Eingangsraum und einer sehr schlichten Grabkammer; häufig wurden die Toten mit reichen Beigaben bestattet. Viele der zahlreichen Funde, die heute in den bedeutendsten sardischen, italienischen und ausländischen Museen aufbewahrt sind, stammen aus diesen Gräbern.
Mit der Eroberung Sardiniens durch die Römer (238 v. Chr.) nahm ein Prozess tief greifender Veränderung seinen Anfang, der erst in der Kaiserzeit zum Abschluss kam.
Dem republikanischen Zeitalter (II. Jh. v. Chr.) wird die Umgestaltung der Befestigung von Muru Mannu, mit einer Verstärkung in großen Basaltblöcken und die Errichtung einer Sperrmauer zugeschrieben, die einen breiten, tiefen Graben abgrenzt.
Die tiefsten Veränderungen erlebte die Stadt jedoch in der Kaiserzeit. Es wurde eine beeindruckende Stadtneuordnung durchgeführt und um das 2. Jh. n. Chr.wurden die Straßen mit einerBasaltpflasterung und einem weit verzweigten System aus Abflusskanälen versehen. Zahlreiche öffentliche Monumentalbauten wurden errichtet, worunter die drei Thermalanlagen und ein Bau, den sein Entdecker aufgrund seiner möglichen Verbindung mit dem Aquädukt “castellum aquae” nannte. In frühchristlicher und frühmittelalterlicher Zeit erlebten die wichtigsten römischen Bauten, insbesondere die Thermen, verschiedene Veränderungen, unter anderem mit dem Bau eines frühchristlichen Baptisteriums, dessen achteckige Taufwanne noch heute bewundert werden kann. Nach mehreren Jahrhunderten des Niedergangs wurde die Stadt Tharros um das Jahr Tausend endgültig aufgegeben, weil sie allzu anfällig für die Sarazeneneinfälle war.
DIE FRÜHCHRISTLICHE KIRCHE SAN GIOVANNI DI SINIS
Im Zentrum des gleichnamigen kleinen Dorfes gelegen, erhebt sich die Kirche auf einem ursprünglich heidnischen, später christlichen Friedhofgelände. Sie wurde in weißlichen Sandsteinquadern gebaut, mit einer insgesamt schlichten Anlage, die ihre Faszinationskraft erhöht. Der rechteckige Grundriss ist in drei von Tonnengewölben überspannte Schiffe unterteilt, die auf ein ebenfalls überwölbtes Querschiff auslaufen. Über dem Mittelschiff und der Apsis erhebt sich eine kleine, auf mächtige zellenförmige Pfeiler gestützte Kuppel. Das Mittelschiff des Gebäudes wird durch drei kleine rechteckige Öffnungen erhellt, die Apsis und das Querschiff dagegen durch zweibogige Fenster.
Ein über der Eingangstür gelegenes Rundfenster belebt in der Mitte die schmucklose Fassade. In ihrem zentralen Kern wurde die Kirche wahrscheinlich im 5. Jh. n. Chr. erbaut. Von besonderem Interesse ist das steinerne Weihwasserbecken, auf dessen Grund ein Fisch, eines der ältesten christlichen Symbole, gemeißelt ist.
DAS HYPOGÄUM VON SAN SALVATORE
Zu dieser unterirdischen Kultstätte von großem kulturgeschichtlichem Wert gelangt man über eine schmale Treppe in der Kirche San Salvatore aus dem 18. Jahrhundert. Man kommt zunächst in einen Gang mit zwei rechteckigen, von Tonnengewölben überspannten Kammern zu beiden Seiten und betritt dann am Ende des Ganges einen kuppelüberwölbten Rundraum mit zentraler Belüftung. In den Boden ist ein Brunnen eingelassen, dessen Wasser für heilkräftig gehalten wurden; sie bilden den Ausgangspunkt des Kultes. Von dem Rundraum gelangt man in drei weitere Räume, einen halbkreisförmigen (wo sich ein Altar befindet) und zwei rechteckige Seitenräume; in der Mitte des Bodens befindet sich ein runder Brunnen mit einem nuraghischen Bätyl. Fast alle Räume sind mit zahlreichen Wandmalereien ausgestattet: Schriftzeichen, Darstellungen unterschiedlicher Themen, Schiffe, zwei Löwen, verschiedene Frauengestalten lassen etwas von den verschiedenen Kulturen erahnen, die hier aufeinander gefolgt sind.
Das Hypogäum ist ganz sicher heidnischen Ursprungs und wurde vielleicht als Katakombe, Kerker oder Zufluchtsstätte in der Frühzeit des Christentums genutzt. Im 4. Jh. n. Chr. wurde der Tempel dem christlichen Kult geweiht und der Brunnen im Mittelraum diente höchstwahrscheinlich als Taufbecken